„Die Bekämpfung der Bürokratie wird nur gelingen, wenn Sie und andere Verbände konkrete Vorschläge machen“, appellierte Peter Altmaier, der als Kanzleramtschef sowie Umwelt- und Wirtschaftsminister Angela Merkels Kabinett angehörte, an etwa 200 Gäste beim ersten „Parlamentarischen Abend“ des Landesverbandes der Freien Berufe (LFB) Rheinland-Pfalz. In seinem gut einstündigen Vortrag zur Fragestellung „Gelingt ein neuer Aufbruch?“ sprach er Probleme und Herausforderungen an, die Deutschland meistern müsse, um seinen Erfolg als Wirtschaftsnation zu sichern. Zudem gab der bekennende „Rentner“ amüsante Episoden und Erfahrungen aus seiner aktiven Zeit als Politiker zum Besten.
„Es ist bitteres Unrecht, was der Ukraine angetan wird. Und trotzdem blutet mein Herz, wenn ich sehe, wieviel Herzblut deutsche Unternehmer verwendet haben, um in Russland oder in der Ukraine neue Geschäftsfelder zu erschließen“, kommentierte Altmaier die Folgen von Putins Angriffskrieg.
Der konservative Politiker warnte vor grüner Philosophie: „Eine freie Wirtschaftsverfassung ohne Wachstum führt zur sozialen Implosion des betreffenden Landes.“ Wenn das Gesamtvolumen des BIP (Bruttoinlandsprodukt) nicht wachsen könne, aber jeder seinen Vorteil suche und der Bessere sich durchsetze, dann würden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer. Das halte eine Gesellschaft nicht aus, zeigte sich Altmaier überzeugt. Um eine wirtschaftliche Trendwende einzuleiten, müsse die Regierung Geld in die Hand nehmen, getreu dem Motto: „Ein Onkel, der was mitbringt, ist besser als `ne Tante, die Klavier spielt.“ Politik müsse glaubwürdig darlegen, dass ihr die Anliegen der Wirtschaft wichtig sind.
Deutschland sollte den Erfindergeist seiner Ingenieure wieder neu wecken und für die Wirtschaft nutzen. Die Politik müsse den Arbeitsmarkt entschlacken und durch neue Arbeitszeitmodelle längere Lebensarbeitszeiten möglich machen. Es dürfe auch nicht sein, dass es quasi unmöglich ist, in seinem Finanzamt einen Menschen anrufen zu können oder ein vergessenes Detail per E-Mail mitzuteilen.
„Ich rede nicht schlecht über die Bundesregierung, weil ich der Auffassung bin, dass wir nicht so viele Alternativen haben: Außer einer großen Koalition von CDU/CSU und SPD sehe ich keine Alternative, die mehrheitsfähig wäre und die das Land in irgendeiner Weise voranbringen könnte“, bekannte Altmaier. Die AfD hält er in ihrem aktuellen Zustand für „absolut nicht regierungsfähig“, weil sie Menschen bewusst aufhetze, zum Teil auch vor falschen Unterstellungen nicht zurückschrecke und es nicht geschafft habe, einen klaren Trennungsstrich zum rechtsextremen Rand zu ziehen. Diese Partei dulde Nazis in ihren Reihen.
Zuvor hatte Dr.-Ing. Horst Lenz, der Präsident des LFB-Landesverbandes, festgestellt, dass „die Freien Berufe weit mehr als nur eine Berufsgruppe unter vielen“ seien. Denn sie ständen für etwas Besonderes: „Die Freien Berufe verbinden Fachkompetenz mit Verantwortung, Unabhängigkeit mit Gemeinwohl und – ganz wesentlich – sie basieren auf dem Vertrauen der Menschen. Dieses Vertrauen ist unser Kapital, es ist nicht erzwungen, sondern erworben, ob in Arztpraxen, Apotheken, Kanzleien, Planungsbüros oder Laboren“, erklärte Lenz.